Mittwoch, 10. Oktober 2018

Villa Pooh

Kunming erwartet uns mit neuen Abenteuern. Die Reise von Getu verläuft eigentlich wie am Schnürchen. Wir haben kaum Wartezeiten auf den Busstationen und Bahnhöfen. Trotzdem sind wir den ganzen Tag unterwegs und kommen erst kurz vor neun in Kunming an. Die Zugfahrt war quälend lang und wir sind froh als wir uns etwas die Beine vertreten können, wollen aber auch endlich ankommen. Deshalb entscheiden wir uns mit der U-Bahn ins richtige Stadtviertel zu fahren und dann ein Taxi zu unserer Unterkunft zu nehmen. Da wegen der Ferienzeit die kostengünstigen Hostels in Kunming alle ausgebucht waren hat Thomas eine Privatunterkunft mit Drei-Bettzimmer gebucht. Privatunterkünfte haben den Nachteil, dass man sie von außen meist nicht als Unterkünfte erkennt. Die Beschreibung „Villa in Kunming nahe Uni“ ist jetzt auch nicht gerade besonders hilfreich und als uns der Taxifahrer vor einem Hochhauskomplex heraus schmeißen will, sind wir uns auch nicht mehr so sicher ob die Adresse stimmt. Wir sind zumindest schon einmal in der richtigen Straße. Wir bitten den Taxifahrer die Unterkunft anzurufen, damit er sich das genaue Haus vielleicht beschreiben lassen kann. Er telefoniert und deutet dann wieder auf die Hochhäuser und wir sollten warten. Also gut, wir warten. Worauf? Gute Frage. Der Wachmann am Eingangstor kommt neugierig immer näher geschlichen. Wir zeigen auch ihm die Adresse und er deutet auf die vielen Häuser hinter sich. Schön und gut. Aber welches? Und wo sollen wir klingeln? Um zu den Häusern zu gelangen benötigt man eine Karte für den Durchgang und an der Haustür befindet sich lediglich ein Nummernblock. Etwas ratlos stehen wir da. Kurze Zeit später führt uns ein zweiter Wachmann zu Haus Nr. 2 und bleibt vor einer Tür im untersten Flur stehen. Er klopft. Keiner öffnet. Er klopft immer wieder. Läuft nervös hin- und her, redet in sein Walki-Talki. Dann gibt er einen langen Pin ein und neugierig schauen wir alle in eine fremde Wohnung. Wir können uns doch jetzt nicht einfach in eine fremde Wohnung setzen, wenn niemand zu Hause ist. Wir wissen ja nicht mal, ob wir wirklich richtig sind. Am Ende ist es die Wohnung von irgendjemand ganz anderem. Auch der Wachmann ruft in unserem Auftrag noch einmal die Unterkunft an. Über ein paar Brocken Englisch erfahren wir schließlich von dem Besitzer, dass er selbst nicht da ist, die Unterkunft im untersten Stock ist und jemand uns den Schlüssel gibt. Wann dieser jemand kommt, bekommen wir allerdings nicht heraus. Nagut, da aber die Tür ja nun eh schon offen ist, verabschieden wir uns von dem netten Wachmann und schauen uns  um. Tatsächlich gibt es mehrere Zimmer mit Betten und in dem Raum mit dem Winni-Pooh an der Tür finden wir ein Dreier Stockbett. Offenbar haben wir unsere „Villa“ gefunden. Flori fällt gleich ins Bett, während mich noch der Hunger quält. Eine Schlüsselkarte liegt auf dem Tisch, sodass wir uns noch auf die Suche nach etwas essbarem machen können. Auf dem Weg nach draußen kommt uns ein Amerikaner entgegen, der die ganze Geschichte schließlich auflöst. Der Besitzer ist im Urlaub, er selbst ist Gaststudent und anscheinend wegen uns gerade durch die halbe Stadt nach Hause spaziert, um uns herein zu lassen. Er zeigt uns wie die Schlüsselkarten funktionieren und wo wir den Wifi-Code finden. Dann begleitet er uns noch zu einem Restaurant um die Ecke und verschwindet ins Bett. Wenig später ziehen auch wir die Blümchen-Gardine zu, starren noch kurz auf die fliederfarbene Tapete und löschen das Licht des goldenen Kronleuchters, glücklich endlich angekommen zu sein fallen uns die Augen zu.

Am nächsten Tag setzen wir uns mit dem Busfahrplan auseinander. Leider ist er auf Chinesisch (wer hätte das gedacht?). Doch auf Nachfrage wie wir am besten zur Peking-Road kommen, der großen Nord-Südverbindung und Anschlussstelle zur Metro, werden wir in einem Bus gesetzt und haben zum Glück genügend Zeit den Plan zu studieren und zu verstehen. Metro fahren ist dann wiederum ziemlich einfach. Zuerst besuchen wir in einem Teemarkt. Viele Läden haben noch nicht geöffnet, doch wir landen letztendlich trotzdem bei einer Teeverkostung. Wir haben uns gefreut, weil der Verkäufer nicht so aufdringlich war wie in Guilin und obwohl wir uns nicht sonderlich gut verständigen konnten kommen wir gar nicht wieder weg. Für den Rest des Tages müssen wir ständig auf Toilette, aber es war auf jeden Fall eine schöne Erfahrung und ein toller Start in den Tag. Den Rest des Tages flanieren wir durch die Straßen von Kunming. In einem Tempel, der mitten im Beton-Dschungel steht finden wir etwas Ruhe und können unseren Füßen eine kurze Entspannungspause gönnen. Einen Park schaffen wir noch, dann ist es schon wieder Abend und wir erreichen pflastermüde unser Hostel.

Montag, 1. Oktober 2018

Getu

Eine dreistündige Zugfahrt brachte uns von Yangshuo nach Guiyang. Wegen der Chinesischen Ferien (oder vielleicht handelt es sich auch um eine sehr beliebte Strecke) haben wir nur noch Stehplätze im Voraus buchen können. Während also Flori mit der Schaffnerin das „Steh-auf“-Spielchen in der ersten Klasse spielte machten wir es uns auf unseren Rucksäcken im Gang gemütlich und standen ab und an Schmiere. Kurzum aber eine recht angenehme Fahrt und in Guiyang erwischten wir auch sogleich einen Anschlussbus nach Getu.
Noch am selben Nachmittag sind wir in Getu gelandet, man könnte auch sagen am Arsch der Welt. Eine Straße, die im Tal endet, ein Ort mit vielleicht 20-30 Häusern, wobei die Hälfte einen sehr verlassenen Eindruck macht. Aber immerhin ein Hostel, das wohl ein unglückliches Überbleibsel des einst so starken Klettertourismus (petzl Rock Trip) ist, sowie ein „Restaurant“ und ein Straßenstand, an dem wir abwechselnd Frühstück (Nudeln) und Abendbrot (Reis) bekommen. Ansonsten gibt es hier nichts weiter, außer einigen beeindruckenden Felswänden natürlich. Deshalb sind wir ja hier. Die ersten haben wir bereits erkundet und das ein oder andere aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Zumindest die Gebiete, die nicht direkt an der Straße liegen sind so zugewachsen, dass man nur mit einer Machete zu ihnen gelangt. Morgen (am Ruhetag) wollen wir mal den Great Arch (also den riesigen Felsbogen) erkunden. Eigentlich auch ein Klettergebiet, aber wegen Bauarbeiten soll das Klettern im Arch gerade nicht erlaubt sein. Anscheinend wird direkt in den Bogen hinein ein Hotel gebaut. Typisch China! Auch weiter vorn im Tal ist eine riesige Freizeitanlage im Bau. Fragt sich woher die ganzen Touristen kommen sollen, aber die werden sie schon in großen Bussen zu ihrem Freizeitvergnügen karren. Dort werden sie ausgekippt, an die Hand genommen (oder an den Selfie-Stick), einmal zu allen Attraktionen geführt und dann wieder schön brav am Bus abgeliefert. Wir sind ganz froh, dass wir trotz Ferienzeit von Touristenströmen verschont bleiben. Dazu trägt wohl maßgeblich die Baustelle bzw. der gesperrte Arch bei. Kein einziger Tourist, abgesehen von ein paar wenigen Kletterern hat sich in das Tal verirrt. So genießen wir, ganz für uns allein und nach dem Trubel von Yangshuo die (von Baulärm unterbrochene) Ruhe in Getu.